Noch immer nicht ist klar, ob Schulen – allem voran Oberstufen – in corona-roten Bezirken schließen sollen. Ein eindringlicher Appell: Lasst sie offen, die Schulen, liebe Politiker! Es gibt viel zu verlieren.

Schon vor einer Woche wurde verkündet: Ein Großteil der Bezirke in Österreich soll rot werden – zumindest auf der „Corona-Ampel“ der Bundesregierung. Was das bedeutet, weiß derweil niemand. Gerade gestern, Donnerstag, hat der Bundeskanzler wieder eine einmalige PR-Show abgezogen. Unter dem Titel der Intensivkapazitäten im österreichischen Gesundheitssystem lud er gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu einer Pressekonferenz. Die Experten, die neben den beiden Politikern standen, kamen nur kurz zu Wort.

Gerade gestern, Donnerstag, hat der Bundeskanzler wieder eine einmalige PR-Show abgezogen.

Der Kanzler nutzte die große Medienaufmerksamkeit (es wurden neue „Corona-Maßnahmen“ erwartet), um zu sagen, wie gefährlich die Lage in Österreich nicht wäre. Und um eine neue Pressekonferenz anzukündigen. Am Samstag will er dann tatsächlich nicht nur reden, sondern auch etwas sagen. Gemeinsam mit Anschober werde er – nach „Beratung mit den Landeshauptleuten und den Parlamentsparteien“ – dann neue Maßnahmen verkünden. Sind wir gespannt, ob es soweit kommt.

Lasst die Schulen offen!

Auch nicht klar ist, wie es mit den Schulen weitergeht. Dort liegt die Verantwortung vorerst bei den Bundesländern. Wo Bezirke rot sind, sollen die Bundesländer selbst entscheiden, wie es weitergeht. In Vorarlberg hat Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) gesagt, er werde die zuständige Landesrätin bitten, „Distance Learning“ vorzubereiten. Zumindest ab der 9. Schulstufe soll dann von zuhause aus unterrichtet werden.

Es ist nicht nur unwissenschaftlich, Schulschließungen zu verordnen, sondern das löst auch nicht vorhersehbare Kollateralschäden aus.

Das dürften andere Landeshäuptlinge nicht anders sehen. Und das geht gar nicht. Es ist nicht nur unwissenschaftlich, Schulschließungen zu verordnen, sondern das löst auch nicht vorhersehbare Kollateralschäden aus.

Schulen kaum betroffen

Dass Schulschließungen gefährlicher Unsinn sind, wird klar, wenn man sich die Zahlen der Clusteranalyse der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) ansieht. Der gesamte Lebensbereich „Bildung“ macht in der KW 42 nur 4,5 Prozent aller Cluster aus. Schulen sind also irrelevant, wenn es um die Verbreitung von COVID-19 geht. Sogar der Arbeitsbereich macht mehr aus (5,2 Prozent).

Der gesamte Lebensbereich „Bildung“ macht in der KW 42 nur 4,5 Prozent aller Cluster aus.

Wollte man die Pandemie effektiv bekämpfen, könnte man zum Beispiel im Lebensbereich „Freizeit“ ansetzen. Dieser macht 25,7 Prozent aus. Durch adäquate Maßnahmen kann man hier die Verbreitung verlangsamen. Vom Alkoholverbot bis zu nächtlichen Beschränkungen ist viel möglich.

Schulen sind also irrelevant, wenn es um die Verbreitung von COVID-19 geht.

Nach der Clusteranalyse der AGES teilen sich folgende Lebensbereiche die Infektionscluster.
Grafik (C) Lucas Ammann

Riesige Kollateralschäden

Während Schulschließungen also kaum einen Effekt auf das Infektionsgeschehen hätten, richten sie große Schäden an den jungen Menschen an. Keine sozialen Kontakte mehr, nur mehr vor einer Maschine, einem Computer wird „unterrichtet“. Wohl jedem ist klar, dass das auf Dauer nicht gut sein kann. Dazu kommt: Ein Lehrer kann nicht durch eine Maschine ersetzt werden. Es fehlen Gestik und Mimik, es fehlen praxisnahe Vorführungen – und Fragen können schlicht und einfach nur halb so gut gestellt werden. Das bedeutet praktisch den Wegfall des Unterrichts.

Schulschließungen verursachen großen Schaden

Es gibt dann – wie im Frühjahr – keinen Unterricht mehr. Das, was dann stattfindet (und auch stattgefunden hat), ist nicht „Homeschooling“, sondern ein lächerliches Ersatz-Unterhaltungsprogramm mit Online-Konferenzen und Videos aus dem Internet. Schulen sind also unschließbar, wenn die jungen Menschen, also die Zukunft, noch irgendetwas Wert sein sollen. Und nur zur Klarstellung: Dafür können die Lehrer nichts. Sie gaben ihr Bestes. Aber mehr geht halt nicht. Wir müssen uns daher alle dafür einsetzen, dass die Schulen offen bleiben. In den sozialen Medien zum Beispiel mit: #DieSchulenbleibenoffen.

Was im Frühjahr stattgefunden hat, war nicht „Homeschooling“, sondern ein lächerliches Ersatz-Unterhaltungsprogramm mit Online-Konferenzen und Videos aus dem Internet.

Schüler „beaufsichtigen“

Besonders übertrieben waren zwischenzeitlich auch die Regeln, die in die Schule einzuhalten waren. Einerseits natürlich eine völlig praxisfremde Maskenpflicht. Oder aber auch: Dass Schüler, die „verdächtigt“ wurden, COVID-19-infiziert zu sein, von Lehrpersonen zu „beaufsichtigen“ waren. Und zwar in separaten Räumen, wieder mit Masken. Die Vorschriften sind auffordernd formuliert – obwohl vieles nicht einmal klar war. Ein Beispiel aus einem Dokument der Bildungsdirektion Vorarlberg:

Bildungsdirektion Vorarlberg (Hervorhebungen selbst vorgenommen)

Auch unklar war, wie es sich mit den Testungen verhält. Auch dort ist nie klar kommuniziert worden. Teilweise sicher auch, weil manche Tests gar nicht verpflichtend sein können. Wollte man es trotzdem implizieren?

Bildungsdirektion Vorarlberg (Hervorhebungen selbst vorgenommen)

Die Dokumente sind mit Stand Ende September datiert. Mittlerweile wurden die Vorschriften wieder revidiert beziehungsweise immer wieder geändert.

Nochmals an die Politik: Lasst die Schulen offen! Und lasst bitte die Schüler und Lehrer in Ruhe. Es gibt genug mit dem Lehrstoff zu tun, niemand braucht in den Schulen auch noch unnötige COVID-Vorschriften. Sicherheit ja, aber Schulen sind sicher kein klassischer Infektionsort. Und bitte immer an die Auswirkungen von Maßnahmen denken, welche Kollateralschäden entstehen können und wie diese Maßnahmen – besonders auf junge Menschen – wirken.

(la)

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Von Lucas Ammann

Lucas Ammann betreibt eine eigene Website und schreibt als freier Journalist für verschiedene Medien. Mehr unter "Über mich".

Ein Gedanke zu „Lasst die Schulen offen!“

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