Von Lucas Ammann

Analyse. Seit 4. Mai werden die Maturanten wieder unterrichtet, ab 18. Mai soll es für die Sekundarstufe I wieder losgehen. Schließlich werden ab 3. Juni wieder alle Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Was alle Bereiche gemeinsam haben: Unklarheit und eine fehlende Rechtsgrundlage.

Es wird spannend. Die Schule soll ihren Betrieb wieder aufnehmen. Das soll aber auf die gleiche Weise passieren, wie die Schüler zuhause über zwei bis drei Monate unterrichtet wurden: Ohne Rechtsgrundlage.

Im Dokument „Eckpunkte der Aktivierung des Schulsystems“, das auf der Homepage des Bildungsministeriums mit 24. April 2020 datiert ist und vom selbigen herausgegeben wurde, findet sich folgende Passage: „In allen anderen Schularten und Schulstufen wird ein Aufsteigen mit einem Nicht Genügend ohne Beschluss der Klassenkonferenz möglich sein. Für Schülerinnen und Schüler, die mehr als ein Nicht Genügend aufweisen, bleiben die bestehenden Regelungen aufrecht, können im Bedarf aber durch Beschluss der Klassenkonferenz abgeändert werden.“

Die Klassenkonferenz soll also „die bestehenden Regelungen abändern können“. Ist die Klassenkonferenz der neue Gesetzgeber? Im derzeitigen Regierungszustand, einem Regieren durch Quasi-Dekrete, hat man einfach auf die Gesetze vergessen. In allen möglichen Bereichen ändert man diese ab – aber im Bildungsbereich schaut ja niemand, da kann man ruhig einfach mal ein Rundschreiben fassen.

Ein solches Vorgehen widerspricht nämlich Paragraf 25 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG). Dort sind alle Kriterien festgeschrieben, unter denen Schüler aufsteigen können – und dort wird auch der Handlungsspielraum der Klassenkonferenz eindeutig auf ein gewisses Maß eingeschränkt. Nur zur Erinnerung: Ein Gesetz ist vom Parlament zu beschließen, von den Volksvertretern, die wir zuletzt 2019 gewählt haben. Und Gesetze können der Verfassung entsprechend nicht von der Regierung abgeändert werden.

Es geht aber darum, dass sich weder eine Klassenkonferenz (also die Lehrer), noch das Bildungsministerium über ein geltendes Gesetz einfach hinwegsetzen können und somit solchen wirren Anweisungen der demokratische Boden fehlt.

Auch Leistungsbeurteilung betroffen

Damit aber nicht genug. Am 7. 5. 2020 schreibt das Bildungsministerium an die Schulen: „Der Grundsatz, dass zuletzt erbrachte Leistungen das größere Gewicht zuzumessen ist (§ 20 Abs. 1 LBVO), wird für das laufende Schuljahr/Semester außer Kraft gesetzt.“ Freilich verweist das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) hier auf die Leistungsbeurteilungsverordnung (LBVO). Diese Verordnung kann nämlich vom entsprechenden Bundesminister abgeändert werden.

Aber auch dieser Beurteilungsgrundsatz steht so im Gesetz. Laut Paragraf 20 (Absatz 1) des SchUG ist nämlich „dem zuletzt erreichten Leistungsstand das größere Gewicht“ zuzumessen.

Das sind nur Beispiele, wie versucht wird, ohne Gesetzesgrundlage, alleine nach Belieben zu regieren. Wenn man sowas möchte, muss man das Parlament damit befassen, so funktioniert unser Rechtsstaat. Und dieser gilt auch in der Krise.

Kritik der Opposition

Auch von der Opposition hagelt es mittlerweile Kritik am Vorgehen der Bundesregierung und an der Umsetzung der Vorstellungen an einzelnen Schulen. So berichtet beispielsweise Christoph Wiederkehr, Chef der Neos in Wien, auf Twitter vom Vorgehen einer Schule in Niederösterreich: „Der neue ‚Schulalltag‘:
– In der Pause aufs Klo gehen ist streng verboten
– Das Verlassen des Einzeltisches im Klassenraum ist streng verboten.
Das kann unmöglich funktionieren!“

Schüler dürfen an dieser Schule laut dem von Wiederkehr veröffentlichten Informationsschreiben nicht mehr aufs WC in der Pause – sofern es nach der Schule geht.

Auch in Wien gäbe es solche Fälle.

Vollkommen klar ist jedoch, dass Abstandsregeln (und wohl auch die Mund-Nasenschutz-Pflicht) an Schulen nicht eingehalten werden (können). Das wäre einfach re­a­li­täts­fremd.

(la)

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Von Lucas Ammann

Lucas Ammann betreibt eine eigene Website und schreibt als freier Journalist für verschiedene Medien. Mehr unter "Über mich".

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